Mainframes ohne Experten?
Wie ein Hurrikan fegt die Digitalisierung durch die IT. Sie wirft alles um, was bislang gut und teuer war. Geschäftsprozesse, Geschäftsmodelle, Arbeitsverhältnisse, ja die ganze Gesellschaft gerät in ihren Sog. Nur die klassischen Großrechnersysteme, die scheinbar unverwüstlichen Mainframes, trotzen dem Sturm. Sie werden zwar zahlenmäßig weniger, aber in etlichen großen Unternehmen, in Versicherungen oder Banken existieren sie weiterhin. Geschätzt werden sie, weil sie transaktionsintensive Anwendungen sicher und zuverlässig bewältigen. Vor allem aber, weil ihre Ablösung für die Betreiber einen großen Aufwand bedeuten würde.
Dennoch, ihre Zeit ist längst abgelaufen. Schon vor 15 Jahren wurde das Ende der Mainframes beschworen: unvermeidlich, unausweichlich, besser heute als morgen. Mittlerweile ist schon übermorgen. Mit allerlei technischen Tricks gelang es, dieses Ende immer wieder aufzuschieben, so hielten zum Beispiel auch Objektorientierung und Linux Einzug auf dem Mainframe. Trotzdem war stets klar, dass der Abschied von dieser einst epochalen Technologie eines Tages doch erfolgen würde. Dies machen die in der Digitalisierung virulenten Technologien und Verfahren mehr als deutlich: bei KI, Big Data oder Cloud Computing mag das mit einigen Klimmzügen noch funktionieren, aber bei Apps oder DevOps ist dann wirklich Schluss. Solche neumodischen Sachen passen einfach nicht in eine Mainframe-Landschaft und weitere Tricks würden die Systeme nur noch komplexer und aufwändiger machen. Irgendwann muss man sich einfach der Tatsache stellen, dass man es mit einer Technologie von (vor-)gestern zu tun hat. Und dass man endlich das in Angriff nehmen muss, was man schon vor 15, spätestens aber vor zehn Jahren hätte tun müssen: Strategien zur Ablösung der Mainframes zu entwickeln.
Mittlerweile zeigt sich, dass der überlange Abschied vom Großrechner nicht nur technische Probleme mit sich bringt. Spätestens seit der Jahrtausendwende wird davor gewarnt, dass die Mainframe-kundigen Mitarbeiter weniger werden: Sie scheiden nach und nach aus dem Arbeitsleben aus und gehen in Rente. Nachwuchs ist nicht in Sicht, denn welcher aufstrebende junge IT-Fan möchte schon sein Herz an Dinge wie PL/1 verlieren? Da wird er/sie lieber Blockchain-Experte oder macht was mit Medien. Die schrittweise Erhöhung der Rentenaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre hat den Mainframes insofern noch einmal eine kleine Gnadenfrist verschafft – und ich zweifle nicht daran, dass die Politik das vor allem mit Blick auf verzweifelte Mainframe-Betreiber durchgesetzt hat.
Doch die Uhr tickt, und unerbittlich rückt der Tag näher, an dem nicht mehr genügend Fachkräfte für den Betrieb dieser Systeme zur Verfügung stehen werden. Da eine Dienstverpflichtung von Mainframe-Experten bis zum Tode und womöglich noch darüber hinaus, an gesetzlichen wie natürlichen Hürden scheitern dürfte, muss man die Lösung wieder ins Auge fassen, um die man sich bisher herumgedrückt hat: Abschalten.